Jan-Philipp Müller im Interview
– zu Training und Sport

Johannes Kurtz befragt den Arzt des FC Bayern Junior Teams zum Thema Sport, Training und Sportverletzungen.

Sie betreuen jet­zt seit eini­gen Jahren im Profibere­ich Fußballer. Wieviel Sport wür­den Sie dem „Nor­mal­bürg­er“ empfehlen, ab wann sehen Sie eine kri­tis­che Gren­ze für Sport sowohl in Rich­tung „zu viel“ als auch „zu wenig“?

Zwei bis drei Stun­den pro Woche würde ich für aus­re­ichend hal­ten. Alles was darüber hin­aus noch stat­tfind­et wie zu Fuß zur Arbeit gehen, sehe ich pos­i­tiv. Kri­tisch wird es m. E. erst ober­halb der sieben Stun­den pro Woche, hier sollte dann zumin­d­est ärztlich oder ther­a­peutisch begleit­et wer­den.

Wür­den Sie Patien­ten jen­seits der 50, unseren soge­nan­nten „Best agers“ oder auch den über 70-Jähri­gen noch ein Kraft­train­ing und/oder Aus­dauer­sport empfehlen?
Selb­stver­ständlich! Kraft­train­ing sicher­lich auch im Rumpf und Rück­en­bere­ich vor allem für die Sta­bil­ität. Und Aus­dauer ist, sofern es im höheren Alter kar­di­ol­o­gisch abgek­lärt ist, nur als pos­i­tiv zu sehen.

Welchen Stel­len­wert hat für Sie ein eigen­ver­ant­wortlich­es Train­ing in der Präven­tion?

Einen sehr hohen Stel­len­wert! Das eigen­ver­ant­wortliche Train­ing sollte erst ein­mal ordentlich angeleit­et wer­den und in regelmäßi­gen Abstän­den von cir­ka zwei bis drei Wochen kon­trol­liert wer­den, um Fehler bei der Ausübung zu ver­mei­den.

Welchen Stel­len­wert hat für Sie das Train­ing in der Reha­bil­i­ta­tion?

Nur durch ein ordentlich­es Train­ing in der Reha­bil­i­ta­tion kann ich z. B. in der Endo­prothetik ein langfristig gutes Ergeb­nis erzie­len.

Lassen sich Ihrer Mei­n­ung nach gängige degen­er­a­tive Erkrankun­gen wie Hüft- und Kniearthrose durch regelmäßiges Train­ing her­auszögern oder ver­mei­den?

Prinzip­iell ja, es kommt natür­lich auch auf die Art des Sports an. Hohe Stoß­be­las­tun­gen soll­ten ver­mieden wer­den. Pos­i­tiv zu sehen, sind hier zyk­lis­che Sportarten wie Rad­fahren oder Schwim­men.

Wenn die Arthrose nun ein­mal schon fort­geschrit­ten ist, rat­en Sie zur Gelenkscho­nung oder sollen diese Men­schen erst recht aktiv wer­den, um die Muskeln stark und die Gelenke beweglich zu hal­ten?

Natür­lich ist es sin­nvoll, trotz oder ger­ade wegen ein­er Arthrose in Bewe­gung zu bleiben. Nur so lassen sich Oper­a­tio­nen, wie z. B. ein kün­stlich­es Hüft­ge­lenk noch weit­er hin­auszögern und die Beweglichkeit erhal­ten.

Sie sind lange Zeit als Unfallchirurg tätig gewe­sen. Wür­den Sie sagen, dass die Menge an Sportver­let­zun­gen, die Sie im Laufe der Jahre gese­hen haben im Ver­hält­nis zu den pos­i­tiv­en Effek­ten von Sport eine große Rolle spielt?

Prinzip­iell ist alles höher, schneller, weit­er gewor­den. Durch z. B. die E‑Bikes kann qua­si auch ein untrainiert­er oder älter­er Men­sch hohe Berge hin­auf­fahren und das Ver­let­zungsrisiko ist sicher­lich gestiegen. Trotz­dem wiegt das Risiko nicht vie­len Vorteilen von einem sportlich bewegten Leben auf.

Sie betreuen auch schon die jun­gen Spiel­er im FC Bay­ern. Wo sehen Sie diese Spiel­er mit Ende 60? Sind das dann alles Sport­in­vali­den oder glauben Sie, dass diese durch ihren Leis­tungss­port den Grund­stein für ein „rüstiges Rent­ner­leben“ leg­en, um lebenslang Sport zu treiben.

Durch die immer größere medi­zinis­che und phys­io­ther­a­peutis­che Betreu­ung der Spiel­er ver­suchen wir ger­ade das zu ver­mei­den. Trotz aller Vorkehrun­gen und Maß­nah­men ist die Belas­tung für unsere engagierten jun­gen Spiel­er sehr hoch, wenn man pro­fes­sionell Fußball spie­len möchte.

Pho­to by Markus Spiske on Unsplash

Sehen Sie in unser­er Gesellschaft eher einen Trend hin zu ein­er gesün­deren aktiv­en Lebensweise oder geht der Trend weit­er zu Übergewicht und Couch­pota­to?

Zwiespältig, vor allem bei den Jugendlichen beste­ht durch Com­put­er­spiele und Co. häu­fig ein Bewe­gungs­man­gel. Auf der anderen Seite gibt es inzwis­chen einen Trend zu mehr Bewe­gung und einem gesun­den Lebensstil. Man muss vor allem schon die Kinder zu aus­re­ichend Bewe­gung motivieren.

The­mawech­sel: Wie Kri­tisch sehen Sie die zunehmende Diag­nos­tik in der Medi­zin mit Rönt­gen­bildern in Deutsch­land? In München existieren in etwa so viele MRT-Geräte wie in ganz Ital­ien. Es gibt den Spruch in München, man solle sich südlich von Inns­bruck nicht behan­deln lassen…

Natür­lich ist die tat­säch­liche Ver­sorgung in Ital­ien im Ver­gle­ich zu Deutsch­land eher schlecht. Trotz­dem wird in Deutsch­land bzgl. MRT und Co. teil­weise über­trieben. Zu ein­er guten Unter­suchung gehört eben­so wie bildgebende Ver­fahren eine umfan­gre­iche klin­is­che Unter­suchung. Nur so lassen sich vernün­ftige Diag­nosen stellen.

Ab wann rat­en Sie Ihren Sportlern eher zu einem oper­a­tiv­en Vorge­hen, wann wird erst­mal kon­ser­v­a­tiv behan­delt – Beispiel Meniskus­riss? Es gibt inzwis­chen Stu­di­en, die bele­gen, dass ein oper­a­tives Vorge­hen dem kon­ser­v­a­tiv­en langfristig nicht über­legen ist.

Ein Meniskus­riss ohne Bewe­gung­sein­schränkung muss in der Regel nach heutigem Wis­sens­stand nicht mehr zwin­gend operiert wer­den. Dies gilt für den Bre­it­en­sport genau­so wie für den Profi­fußballer.

Noch Eine per­sön­liche Frage: Wie hal­ten Sie es sel­ber mit dem Sport? Machen Sie aus­re­ichend Kraft­train­ing und Aus­dauer­sport?

Prinzip­iell ja, ich ver­suche, zwei bis drei Mal pro Woche Sport zu machen. Ich benötige diesen vor allem als Aus­gle­ich. Lei­der kommt auch mir manch­mal der Beruf und der All­t­ag dazwis­chen.

Danke für das Gespräch.