wussten sie schon, dass Patienten nicht direkt zum Physiotherapeuten gehen können, obwohl der Nutzen bestätigt ist?

Viele Patien­ten wis­sen, dass man nur behan­delt wer­den kann, wenn der Arzt das verord­net. Doch die Wartezeit­en beim Arzt sind oft lang und ein Rezept für Phys­io­ther­a­pie zu bekom­men, ist schw­er. Warum kann man eigentlich nicht direkt zum Ther­a­peuten gehen?

Geregelt ist das im Sozialge­set­zbuch und Heil­prak­tik­erge­setz. Der Arzt muss die Phys­io­ther­a­pie verord­nen, damit der Ther­a­peut behan­deln darf. Auf ein­er solchen Verord­nung ist genau fest­gelegt, wie und wie oft behan­delt wer­den soll. Der Phys­io­ther­a­peut darf also nur die Ther­a­pie durch­führen, die vom Arzt verord­net wurde. Begrün­det wird das damit, dass allein Ärzte zu ein­er Diag­nose fähig seien. Doch das stimmt so nicht. Denn Phys­io­ther­a­peuten kön­nen bere­its kleine Abwe­ichun­gen von Bewe­gun­gen erken­nen und winzige Verän­derun­gen im Gewebe ertas­ten. Den Patien­ten genau zu unter­suchen, gehört zu ihrem Beruf­sall­t­ag. Sie sind die Experten für die Funk­tio­nen des Bewe­gungsap­pa­rates. Die Vor­sitzende des Ver­bands selb­st­ständi­ger Phys­io­ther­a­peuten Ute Rep­schläger fordert schon seit Jahren, dass die Beruf­s­gruppe der Phys­io­ther­a­peuten unab­hängiger auf ihrem Fachge­bi­et agieren kann. Das Ziel ist der soge­nan­nte Direk­tzu­gang der Patien­ten zum Phys­io­ther­a­peuten. Hat ein Patient Schmerzen an Gelenken oder Muskeln, kann er dann selb­st entschei­den, ob er deswe­gen den Arzt oder den Phys­io­ther­a­peuten auf­suchen will. Im Aus­land wie etwa in Großbri­tan­nien, den Nieder­lan­den, Schwe­den, Nor­we­gen oder Aus­tralien ist das schon seit Jahrzen­ten möglich.

© fmatte / photocase.de
© fmat­te / photocase.de

Nur im deutschen Gesund­heitssys­tem wird darauf behar­rt, dass die Ärzte beim soge­nan­nten Erstkon­takt den Vor­rang haben. Sie allein dür­fen die Diag­nose stellen, auf deren Grund­lage dann behan­delt wird. Da auf­grund der Altersen­twick­lung immer größere Ströme an Patien­ten die Wartez­im­mer fluten, sind die Medi­zin­er auch hierzu­lande mehr und mehr belastet. Um sicherzustellen, dass Patien­ten auch in Zukun­ft medi­zinisch gut ver­sorgt wer­den kön­nen, wurde im Juni 2015 im Bun­destag das soge­nan­nte Versorgungsstärkungsge­setz erlassen. Der Bundestagsabgeord­nete Roy Kühne, der im Gesund­heit­sauss­chuss sitzt, forderte in diesem Zusam­men­hang den Direk­tzu­gang für Ther­a­peuten. Doch der Bun­destag lehnte ab und versper­rt Patien­ten damit weit­er­hin den direk­ten Weg zum Ther­a­peuten. Dabei befür­worten auch viele Ärzte diese Idee: In ein­er Umfrage der Ärzte Zeitung vom April 2015 waren drei Vier­tel der über 4000 Befragten davon überzeugt, dass sowohl Patien­ten als auch Ärzte von einem Direk­tzu­gang zum Phys­io­ther­a­peuten prof­i­tieren kön­nen. Um zu erproben, was passiert, wenn Phys­io­ther­a­peuten ohne Diag­nose und Verord­nung des Arztes behan­deln dür­fen, läuft bere­its ein Pro­jekt in Berlin und West­falen-Lippe. Seit 2011 stellen Ärzte bei Ver­sicherten der „BIG direkt“ soge­nan­nte Blanko-Rezepte aus. Phys­io­ther­a­peuten wird zwar eine Diag­nose vorgegeben, sie kön­nen dann aber selb­st entschei­den, wie und wie oft sie behan­deln. Sie haben so mehr Frei­heit­en auf ihrem Fachge­bi­et und kön­nen die Behand­lungsart selb­st bes­tim­men. Erste Ergeb­nisse zeigen: Dür­fen Ther­a­peuten frei entschei­den, geht es den Patien­ten bess­er. Sie haben weniger Schmerzen und müssen nicht so oft behan­delt wer­den wie Patien­ten mit ein­er Behand­lungsvor­gabe des Arztes. Im Durch­schnitt sind sie bere­its eine Behand­lung früher beschw­erde­frei. Das schmälert die Aus­gaben der Krankenkassen. Der Bun­destagsab­ge­ord­nete Kühne kämpft weit­er für den Direk­tzu­gang der Ther­a­peuten und fragt: „Warum soll der Patient erst auf den Ter­min beim Arzt warten? Warum sollte er nicht direkt zu seinem Phys­io­ther­a­peuten gehen dür­fen, wenn er das will?“ Eine Möglichkeit gibt es jedoch bere­its jet­zt für Patien­ten, direkt zu ihrem Phys­io­ther­a­peuten zu gehen. Der Ther­a­peut muss zusät­zlich zum Heil­prak­tik­er aus­ge­bildet sein. Dann darf er Patien­ten auch ohne Rezept des Arztes behan­deln. Allerd­ings muss der Patient die kom­plet­ten Behand­lungskosten dann selb­st stem­men, denn die Krankenkassen bezahlen die Ther­a­pie weit­er­hin nur nach Verord­nung des Arztes.